GEDICHTFILMWETTBEWERB ART VISUALS & POETRY FILM FESTIVAL 2019
CALL FOR ENTRIES SPECIAL AWARD 2019
Metro Kinokulturhaus, Johannesgasse 4, 1010 Wien
Der Special Award ist ein eigener Poetry Filmwettbewerb des Wiener Poetry Film Festivals, der in Vergangenheit auch im anglo-amerikanischen Raum - also interkontinental - auf starkes Interesse stieß. In diesem Wettbewerb konkurrieren unterschiedliche Verfilmungen ein und desselben Gedichts untereinander. Dabei ist immer wieder erstaunlich und überraschend, auf wieviele unterschiedliche Arten ein Gedicht verfilmt werden kann. Die besten Gedichtverfilmungen werden ausgewählt und im Rahmen des Festivals im Metro Kinokulturhaus gezeigt.
Wir möchten euch heuer alle einladen, das Festivalgedicht von Sophie Reyer kennenzuerlernen. Das Gedicht dient als Basis für den internationalen Wettbewerb - "Special Award", der mit 500 Euro Preisgeld dotiert ist. Die Tonaufnahme zum Gedicht "Zuerst" wird den Wettbewerbsteilnehmern wie in den letzten Jahren kostenlos unter Creative Commons zur Verfügung gestellt als Basis für die Gedichtverfilmung und den Wettbewerb.
Die Tonaufnahme von Dichterin Sophie Reyer selbst gelesen steht nun unter dem folgenden Downloadlink im Internet Archiv bereit
Eine unabhängige Jury wählt unterden selektieren Filmen den Siegerfilm, der mit einem Geldpreis ausgezeichnet wird. Sophie Reyer wird als Festivalgast teilnehmen und sich am Festival in einer Lesung vorstellen.
Sophie Reyer (Wien)
Zuerst
Zuerst sind so Menschen in die Zeit hinein gestreut
und haben Bindehäute zwischen den Händen
und glätten einander die Gesichter
und ihre Finger umstricken einander sind Halteseile
und sie hören den lispelnden Himmeln zu
und entsteigen dem Schweigen manchmal
und machen sich auf am Morgen
und sie wissen: Gestern hat die Stadt gesungen
und morgen wird wieder Mittagessen sein
und wenn die Nacht herankriecht ist der Schlaf eine Koje
und sie geben einander Wörter:
Ehrenwörter Sonnenwörter
gebogene und gebongte
bunte bucklige gestrickte Wörter
und karo gemusterte Wörter
gemolkene und milchige
zum Frühstück schenken sie einander Lispel Gras und andere Wucherungen
und das Aufknacken der Momente ist nicht mühsam
und die Drehleier der Gedanken wird ausgelacht
so sind diese Menschen in eine Zeit hinein gestreut die leuchtet
Die Wiener Autorin Sophie Reyer hat uns in folgendem Kommentar verraten, worum es ihr beim Schreiben des Festivalgedichts "Zuerst" ging: "Stets sind wir besonders, wenn wir beginnen: Der lyrische Text "zuerst" arbeitet mit Schilderungen und kritischen Betrachtungen der gegenwärtigen westlichen Welt und verknüpft diese bewusst mit Zitaten aus dem klassischen lyrischen Kanon sowie alten Mythen aus einer Zeit in der die Welt noch in Ordnung war. Als Fremdmaterial dienen archaische Bilder sowie eine Fülle von Zitaten aus Märchen- und Sagenliteratur. Dabei kehrt das Bild des Beginns als wichtiges Strukturelement wieder und verknüpft die unterschiedlichen Texte zu einem großen, ganzen Gewebe."
Die Stellungnahme von Sophie soll Euch aber nicht abhalten, eine ganz eigene Interpretation des Gedichts in Eurem Poesiefilm zu wagen!
Sophie (Anna) Reyer wurde 1984 in Wien geboren. Sie studierte an der Kunsthochschule für Film und Medien in Köln, Komposition in Graz und machte ein Doktortitel an der Angewandten in Wien. Bisher veröffentlichte sie fünf Gedichtbände - der letzte hieß „schnee schlafen“ (Loecker Verlag 2017). Sophie Reyer erhielt 2007 den Literaturförderungspreis der Stadt Graz, den Manuskripte-Förderungspreis 2009, das Startstipendium des bmukk 2009 und das Literaturstipendium der Stadt Graz im Jahr 2013. Sie hat drei Romane veröffentlicht und verschiedenste Theater- und Musiktheaterstücke geschrieben, beispielsweise "Anna und der Wulian" (Uraufführung 2014 an der Badischen Landesbühne). http://www.sophiereyer.com
Englische Übersetzung: Mark Kanak
First
First, people are scattered into time like this.
and have conjunctiva between their hands
and smooth each other's faces
and their fingers entwining each other are tethers
and they listen to the lisping skies
and sometimes rise from silence
and set off in the morning
and they know: Yesterday the city was singing
and tomorrow will be lunch again
and when the night crawls up, sleep is a bunk
and they give each other words:
words of honor sun words
bent and bonged
colorful hunchbacked knitted words
and plaid patterned words
milked and milky
for breakfast they give each other lispel grass and other growths
and the cracking of moments is not laborious
and the hurdy-gurdy of thoughts is laughed at
so these people are scattered into a time that shines
Mark Kanak, Autor, Übersetzer, Noisemaker, lebt in Berlin. Prosa/Gedichte (Deutsch und Englisch) in Journals, usw. Zahlreiche Übersetzungen ins Englische (Serner, Brinkmann, Burger, Gangl, Crauss, Neuner, Reyer u.v.m). Zuletzt erschienen: Walter Serners Last Loosening: A Handbook for the Con Artist and Those Who Aspire to Become One (2020, Twisted Spoon) und Tractatus illogico-insanus (2019, Ritter). 2022 ist die erwartete post-Corona Uraufführung von dem Tractatus, ein Holodrama, mit Blixa Bargeld in der Hauptrolle.
*Hinweis zu den Copyright: Bitte die Autorin Sophie Reyer und den Übersetzer Mark Kanak bei Wiedergabe oder Zitat des Gedichts verpflichtend anführen.
Link zur Tonaufnahme des Festivalgedichts von Sophie Reyer